Anpassung
an die Welt des Demenz-Kranken
Die
Umwelt dem Kranken anpassen
Vielfach
wird darauf beharrt, dass sich Demenz-Kranke weiter an den Anforderungen
der Umwelt orientieren. Allen Beteiligten ist oft mehr gedient, wenn sich
die Umwelt den Besonderheiten des Kranken anpasst. Bei Kindergärten und
Altenheimen ist es heute ja auch selbstverständlich, dass sich diese an
den Belangen der Zielgruppe orientieren. Machen dem Kranken Gegenstände
Angst (z.B. wenn ein Kleiderständer mit Hut und Mantel als "Mann im
Raum" wahrgenommen wird), besteht die einfachste Lösung oft darin,
das betreffende Objekt wegzustellen.
Behälter und
Schränke nicht verschließen
Verschlossene
Behälter und Schränke scheinen viele Demenz-Kranke zu beunruhigen und
zum Handeln aufzufordern. Offenbar können sie schlecht aushalten, deren
Inhalt nicht zu kennen und allenfalls zu erahnen. Das Herumrütteln an Türen
und das Öffnen ist möglicherweise ein Versuch, sich Klarheit zu
verschaffen.
Mit
Tagesschwankungen leben
Lassen
Sie sich durch Tagesschwankungen oder kurzzeitige Besserungen im Befinden
des Kranken nicht irritieren. Allzu leicht täuschen sie eine generelle
Besserung vor und lassen so unerreichbare positive Veränderungen
erhoffen. Werden Sie nicht ärgerlich oder unsicher, wenn der Patient
ausgerechnet in den Augenblicken "aufblüht", in denen Besuch
zugegen ist (beispielsweise der Hausarzt). Ziehen Sie aus guten Tagen
nicht den Rückschluß, dass Ihnen der Kranke an schlechten Tagen etwas
vorspielt.
Das
Essen erleichtern
Unsauberes
Essen allein ist noch kein Grund, den Patienten zu füttern. Schaffen Sie
dem Kranken während der Mahlzeiten eine ruhige und entspannte Atmosphäre.
Benutzen Sie abwaschbare Tischtücher und Untersetzer. Unterlagen unter
Tellern und Tassen sollten rutschfest sein. Verwenden Sie unzerbrechliches
Geschirr. Ein Schnabelbecher kann das Trinken erleichtern. Lassen Sie den
Kranken einen Umhang anziehen, damit er nicht sofort seine Kleidung
beschmutzt. Verzichten Sie aber auf Lätzchen und ähnliches. Gestalten
Sie den Essensablauf möglichst übersichtlich, indem Sie die einzelnen
Speisen nacheinander mit dem jeweils geeigneten Besteck servieren: Ein
Besteck mit großen Handgriffen ist für den Patienten leichter zu
handhaben; schweres Besteck erinnert den Dementen daran, dass er etwas in
den Händen hält. Weiche und zerkleinert servierte Speisen können von
Patienten mit Kau- und Schluckschwierigkeiten besser verzehrt werden.
Denken
Sie daran, dass Sie mitunter einem Demenz-Kranken das Leben auch durch
folgende Veränderungen erleichtern können:
Treppensicherung
*
Markierung der
Stufen mit farbigen Profilen
*
zweiter Handlauf an Treppen (besonders bei Wendeltreppen)
Bewegungsgesteuerte
Lichtschalter
*
Spezial-Lichtschalter (die sich bei Dämmerung, durch Bewegung oder
automatisch einschalten)
Optimierung
elektrischer Anlagen
*
Hausflurbeleuchtung (die langsam ausdimmt, so dass man genügend
Zeit hat, den nächsten Knopf zu erreichen)
*
Möglichkeit, die Hausflurbeleuchtung bereits von der Wohnung aus
einzuschalten,
*
großflächige Schalter (die sich leichter finden lassen)
Beseitigung
von Stolperfallen
*
Ausreichende Zahl von Wandsteckdosen (um das Herumliegen von Verlängerungskabeln
zu vermeiden)
Gesunde
und sichere Bodenbeläge
*
pflegeleichte, fußwarme und rutschfeste Bodenbeläge
Fleckfreie
Böden
*
fleckfreie Böden (Flecken werden als Vertiefungen wahrgenommen, da
die Tiefenwahrnehmung des Auges im Alter nachlässt. Dagegen können echte
Vertiefungen als "Flecken" verkannt werden, zum Stolpern
verleiten und so Unfälle fördern.)
Optische
Trennung zwischen Boden und Wand
*
Keine aus Teppich bestehende Teppichleisten (da manche ältere
Menschen dann die Wand nicht mehr vom Boden unterscheiden können)
Haltegriffe
im Sanitärbereich
*
Haltegriffe im Bereich von Badewanne, Dusche und WC
Arbeitsgeräte
in Augenhöhe
*
Hochstellen von Backöfen und Kühlgeräten auf Augenhöhe
Lange
Zange als Greifhilfe
*
lange Zange (um damit etwas leichter vom Boden aufheben zu können)
Transparente
Regenschirme
*
transparente
Regenschirme (die die Sicht nicht versperren)
*
an einer Kordel hängende Seifenstücke (die nicht auf den Boden
fallen können)
Optimale
Kleidungsverschlüsse
*
Reiß- und Klettverschlüsse anstelle von Knöpfen
Betterhöhung
*
erhöhtes Bett (oft reicht das Unterlegen von Klötzen)
Freier
Fensterblick
*
freier Blick aus dem Fenster (durch niedrige Fensterbank oder erhöhte
Sitzgelegenheiten)
Große
sichtbare Hausnummern
*
große, gut les- und sichtbare, insbesondere auch beleuchtete
Hausnummer (damit die Wohnung von Hilfs- und Rettungsdiensten leicht
gefunden wird)
Sitzkomfort
Vor
allem Patienten mit Gelenkbeschwerden brauchen Stühle und Sessel, die
nicht zum Gefängnis werden. Eine optimale Sitzhöhe beträgt mindestens
40 cm und ist niedriger als die Unterschenkellänge, damit die Füße
bequem auf dem Boden stehen und nicht auf der Stuhl- bzw.
Sesselvorderkante aufliegen. Zwischen der Vorderkante des Sitzmöbels und
der Kniekehle sollte ein Abstand von 4 bis 5 cm sein.
Sinnvolle
Armlehnen
Gepolsterte
Armlehnen, deren möglichst abgerundete Enden man beim Aufstehen leicht
umfassen kann, verbessern den Sitzkomfort. Ein gut ausgebildeter
Sesselknauf verlockt zum "Fingerspielen" und lädt zur
Fingergymnastik ein. Armlehnen erleichtern das Aufstehen mehr als eine bloße
Erhöhung der Sitzfläche! Sie dürfen weder zu hoch sein (da der Patient
sonst seine Schultern hochziehen muss), noch dürfen sie zu niedrig sein
(da sie sonst beim Aufstehen nichts nützen). Zu kurze Armlehnen sind beim
Aufstehen kaum eine Hilfe.
Stuhlausstattung
Eine
Stoffverkleidung zwischen Armlehne und Sitzfläche hat den Vorteil, dass
sie den Patienten warm hält (Schutz gegen Durchzug) und dass sie Gegenstände
auffängt, die sonst auf den Boden fallen würden. Eine hohe und nur
leicht nach hinten geneigte Sitzlehne erlaubt es der Rückenmuskulatur,
sich zu entspannen. Auch seitliche Kopfstützen fördern die Entspannung.
Sie sollten aber nicht so weit in den Raum vorstehen, dass sie dem
Patienten die Sicht nehmen und dadurch die Kommunikation mit anderen
beeinträchtigen.
Geeignete
Sitzkissen
Auf
der Sitzfläche lose aufliegende Kissen mit einem grob gewebten Bezug sind
vorteilhaft. Sie lassen sich zum Reinigen leicht abheben und durch ein
Klettband so fixieren, dass sie nicht verrutschen.
Stabilität
gewährleisten
Da
gehbehinderte Patienten sich beim Durchqueren eines Raumes an
Sitzgelegenheiten abstützen, sollten diese stabil sein und möglichst
nicht umkippen.
Farbliche
Raumgestaltung
Für
viele Demenz-Kranke werden Einlegearbeiten im Fußboden oder plötzliche
Farbunterschiede der Teppichböden zu einem unüberwindbaren Hindernis.
Einfarbige Flächen sind deshalb vorteilhafter. Eine indirekte und
schattenfreie Raumbeleuchtung (500 Lux in Augenhöhe) beugt illusionären
Verkennungen und optischen Halluzinationen vor, die vor allem beim
Einbruch der Dunkelheit manche Kranken erheblich verunsichern. Eine
optimale Beleuchtung dient zudem als äußerer Zeitgeber, der den
Schlaf-Wach-Rhythmus normalisiert, die Stimmung aufhellt und beruhigt.
Warme Pastellfarben beruhigen und verstärken damit den Effekt einer guten
Beleuchtung. Spiegelnde und damit blendende Oberflächen verwirren
besonders nachts und erzeugen unnötig Ängste.
Ebenerdig
Bewegungsraum schaffen
Ermöglichen
Sie dem Demenz-Kranken, ein Maximum an Bewegungsfreiheit. Vor allem das
Gehen gehört zu den ursprünglichsten willkürlichen Handlungen, die
selbst Personen mit erheblich eingeschränkten intellektuellen Funktionen
noch möglich ist. Für viele Demenz-Kranke ist es eine der letzten
Handlungen, die sie aus eigenem Antrieb und kompetent ausführen können.
Gehen löst innere Spannungen und verbessert die Stimmung. Treppen
erzeugen Angst und sind gleichzeitig eine ständige Gefahrenquelle.
Deshalb sollten alle Einrichtungen für Demenz-Kranke ebenerdig liegen.
Wohnung
“pflegegerecht” gestalten
Schöpfen
Sie die Gestaltungsmöglichkeiten Ihrer Wohnung aus, wenn Sie den
Demenz-Kranken dort versorgen. Verlegen Sie sein Zimmer in Rufnähe zu den
eigenen Aufenthaltsräumen oder gewährleisten Sie, dass der Kranke
notfalls durch eine Sprechanlage oder eine Klingel Kontakt aufnehmen kann.
Denken Sie daran, dass für einen bettlägerigen Menschen der Blick aus
dem Fenster oftmals die einzige Verbindung nach draußen ist. Das Zimmer
sollte daher möglichst nicht auf eine viel befahrene Straße oder einen
tristen Hinterhof führen. Stellen Sie das Bett des Kranken in die Nähe
eines Fensters und sorgen Sie dafür, dass es von wenigstens zwei Seiten
gut zugänglich ist.
Eifersucht
verhindern
Manchen
Kranken kann man Eifersucht ersparen, wenn man bei der Suche nach weiteren
Helfern darauf achtet, dass diese das gleiche Geschlecht wie der Betreuer
oder die Betreuerin haben (sie also nicht “fremd gehen” werden).
Gemeinsam fernsehen
Demenz-Kranke
können oft nicht mehr zwischen Schein und Wirklichkeit unterscheiden. Es
ist dann wichtig, sich Sendungen mit dem Kranken gemeinsam anzusehen und
über das Gesehene mit ihm zu sprechen. Vor diesem Hintergrund ist eine
Schwarz-Weiß-Darstellung zu bevorzugen, da sie weniger echt wirkt.
Verzichten Sie vor allem darauf, dem Kranken Kinderprogramme zuzumuten. Wählen
Sie statt dessen lieber alte Filme oder Musikprogramme für ihn aus. Eine
gute Alternative zum laufenden Fernsehprogramm sind Videoaufzeichnungen
von Lieblingsfilmen oder -sendungen, da der Kranke sie beliebig oft
anschauen kann. Entsprechendes gilt für Filme von früheren eigenen
Urlauben oder Familienfeiern.
Selbst mitspielen
Vertrauen
Sie nicht darauf, dass herumliegende Spiele den Kranken zum Spielen
ermuntern. Machen Sie selbst mit. In Heimen sollten Spiele so angeboten
und durchgeführt werden, dass passivere Patienten zumindest durch
Zuschauen teilnehmen können.
Religiösen
Glauben einbeziehen
Viele
alte Menschen haben ihr Leben bewältigt, weil sie aus ihrer Religion
Kraft geschöpft haben. Nicht selten haben dabei spezielle Bibelsprüche,
Psalme oder ähnliches eine wichtige Rolle gespielt. Es ist sinnvoll, dies
aus der Biographie des Kranken in Erfahrung zu bringen. Religiöse Worte
mit individueller Bedeutung haben schon manchen Demenz-Kranken
eindrucksvoll beruhigt.
Religiöse
Rituale ermöglichen
Für
gläubige Demenz-Kranke können religiöse Bräuche, wie zum Beispiel das
Singen von Kirchenliedern, das Beten der sonntägliche Kirchgang wichtig
sein. Viele Kranke sind sehr empfänglich für die atmosphärische Kraft,
Ruhe und Feierlichkeit eines Gottesdienstbesuches. Dabei genießen sie die
sinnlichen Erlebnismöglichkeiten (zum Beispiel Kerzen, Weihrauch, Musik)
und die wohlvertrauten Rituale
Durch
Wohnungsanpassung Einweisungen vermeiden
Viele
Demenz-Kranke werden überstürzt aus ihrem häuslichen Bereich in ein
Akutkrankenhaus oder eine Pflegeeinrichtung geschickt, weil die Wohnung
“zu gefährlich” ist. Oft gibt es jedoch Lösungen, die weitaus
preiswerter und für den Kranken erfreulicher sind als der Auszug aus dem
vertrauten Heim. So lässt sich der gefährliche Gasherd durch einen
Elektroherd ersetzen und verhindern Umbauten im Badezimmer, dass der alte
Mensch ausrutscht und stürzt.
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