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Sich in den Demenz-Kranken versetzen

Sichtweisen des Kranken einnehmen

Versuchen Sie möglichst oft, die Perspektive des Kranken einzunehmen Betrachten Sie also die Umwelt aus seiner Sicht. Vergegenwärtigen Sie sich, dass der Kranke selbst unter dem Verlust seiner mentalen Fähigkeiten und seiner Persönlichkeitsveränderung besonders leidet (auch wenn er nicht darüber spricht).

Sich testweise selbst hilflos machen

Zugegeben, es ist kein einfacher Vorschlag. Aber warum sollten Sie sich nicht einmal von einem Freund oder einer Freundin waschen, füttern und anziehen, ja vielleicht sogar auf die Toilette bringen lassen? Sofern sich Ihnen bereits bei der bloßen Vorstellung die Haare sträuben, werden Sie vielleicht nachempfinden können, wie sich ein hilfloser Demenz-Kranker fühlen muss.

Mut zum „Demenz-Selbsttest“

„Körperliche Altersgebrechen“ können eine geistige Verwirrtheit verstärken. Machen Sie einen Selbsttest: Tragen Sie abends eine Sonnenbrille und stecken Sie sich Wattestöpsel in die Ohren. Es wird Ihnen dann schwer fallen, sich zu orientieren. Vielleicht können Sie so auch erahnen, um wie viel komplizierter die Situation für schwachsichtige und schwerhörige Demenz-Kranke ist. Die Verordnung der richtigen Brille und eines geeigneten Hörgeräts kann daher durchaus eine Verwirrtheit bessern! Brillen mit eingeschliffenen Gläsern sind für Demenz-Kranke oft zu kompliziert. Hör- und Sehhilfen sind allerdings dann wenig sinnvoll, wenn man dem Kranken keine Angebote zum Sehen und Hören macht.

Sich auf die Welt des Kranken einlassen

Versuchen Sie, das Verhalten des Patienten aus einer positiven Perspektive wahrzunehmen: Unverständliche Dinge müssen nicht kopfschüttelnd oder bedauernd zur Kenntnis genommen werden (wie Gespräche mit dem Spiegelbild, nächtliches Ausräumen von Schubladen). Wenn sich der Kranke dabei wohl fühlt, kann man sich guten Gewissens mit ihm darüber freuen, dass das Leben auch für ihn noch emotional positive Erlebnisse bereithält. Natürlich muss sich der Betreuer für eine solche Sichtweise erst sensibilisieren, indem er auf "Kraftreserven" des Patienten gezielt achtet. Leitfragen: Sieht der Kranke entspannt, zufrieden, glücklich aus? Bewegt er sich sicher?

Auf den Patienten eingehen

Mitunter hilft man dem Demenz-Kranken mehr, wenn man ihn nicht ständig über die Realität belehrt, sondern ihm das Gefühl vermittelt, in seiner Welt verstanden und begleitet zu werden. Dazu kann es nötig sein, in seine Welt einzusteigen, "Umlenkungsstrategien" zu entwickeln und bewusst auf Wahrheit zu verzichten. Betrachten Sie wirklichkeitsfremde Äußerungen des Kranken als Vorschlag für ein Gesprächsthema oder als Anregung zu passenden Aktivitäten. Folgendes Wort von Max Frisch ermuntert zur Toleranz: "Man sollte die Wahrheit dem anderen wie einen Mantel hinhalten, so dass er hineinschlüpfen kann, und ihn nicht wie einen nassen Fetzen um die Ohren schlagen."

Andeutungen des Kranken entschlüsseln

Wenn sich ein Kranker in die Vergangenheit zurückzieht, wählt er oft Zeiten, in denen er sich besonders geborgen oder anerkannt fühlte ("Meine Mutter kommt gleich" "Ich muss zur Arbeit, meine Mitarbeiter warten auf mich.") Manche Demenz-Kranke führen ihre geistigen Schwierigkeiten auf eine Störung von Körperfunktionen zurück ("Ich weiß ja, ich bin dumm, aber ich habe schließlich einen Herzfehler"). Dadurch versuchen sie, ihr Selbstwertgefühl zu erhalten und eventuell sogar die Zuwendung der Umgebung zu erlangen. Körperliche Gebrechlichkeit gehört schließlich zu den allgemeinen Vorstellungen vom Alter und ist letztlich erträglicher als die Vorstellung geistigen Abbaus. Es kommt hinzu, dass Demenz-Kranke oft Gefühle nicht angemessen verarbeiten können und diese dann unmittelbar als körperliche Störung erleben.

Verborgene Wünsche erkennen, ansprechen und befriedigen

Ermitteln Sie die hinter Fehlleistungen verborgenen Wünsche, zum Beispiel nach Geborgenheit und Bestätigung. Indem Sie solche Wünsche ansprechen, bringen Sie dem Kranken mit sich selbst in Kontakt. Scheuen Sie sich nicht, "frühkindliche" Wünsche des Kranken zu befriedigen. Befriedigungserlebnisse verbessern häufig Aufmerksamkeit und Orientierungsvermögen. Fordern Sie den Kranken auf, seine Bedürfnisse und Gefühle frei zu äußern. Ältere Menschen schrecken generell davor zurück, um etwas für sich zu bitten. Sie haben das Gefühl, dass sie dankbar für ihre jetzige Versorgung sein müssen. Sie vermuten, dass ihre Betreuer unter großem Zeitdruck stehen, für "belanglosere" Gespräche nicht offen sind und sich möglicherweise nur unnötige Sorgen machen würden. Deshalb denken viele ältere Menschen auch alleine über den Tod nach.

Sich eigene Erfahrungen vor Augen führen

Wie es einem damit geht, wenn man rasch seine geistige Leistungsfähigkeit einbüßt, kann man auch als nicht Dementer nachvollziehen: Erinnern Sie sich dazu an Situationen, in denen Sie einmal mit Fieber, Durchfall, Übermüdung oder seelischen Krisen zu kämpfen hatten. Mit großer Wahrscheinlichkeit haben Sie damals gemerkt und auch darunter gelitten, wie ihre geistige Leistungsfähigkeit schwand. Und hat sie nicht auch schon einmal ein verlegter oder verlorener Gegenstand fast verzweifeln lassen?

Nesteln, Reiben und Kratzen als Notruf betrachten

Die meist monotone und häufig schädigende Selbststimulation lässt sich als Hilfeschrei von Menschen verstehen, die unter einem Mangel an sinnlichen Anregungen leiden. Um Informationen über den eigenen Körper und die Umwelt zu erhalten, schreiten sie gleichsam zur Selbsthilfe, indem sie mit den Fingernägeln auf Haut oder Tisch kratzen, mit der Bettdecke nesteln oder mit dem Oberkörper schaukeln. Vor allem wer im Bett liegt und sich kaum noch bewegen kann, leidet unter Reizverarmung. Mögliche Abhilfen sind: Wiegen des Kranken im Arm, variierender Druck mit der Hand bei der Körperpflege, Benutzung verschieden harter Waschlappen, Schwämme und Handtücher, gut sitzende Kleidung, Fördern von Lutsch- und Schluckbewegungen durch harte Brotrinden, Bratenkruste oder Kaugummi, Körperpflege mit Parfum, Anregung des Geruchssinnes durch Blumen ätherische Öle und Essensdüfte. Da alle Menschen zum Leben Stimulation brauchen, stimulieren sich Demenz-Kranke auch mit Hilfe ihrer Erinnerung selbst.

Verwirrtheit als Überforderung verstehen

Verstehen Sie Verwirrtheit immer auch als Ausdruck einer Überforderung. Stellen Sie sich hilfsweise vor, wie es Ihnen selbst in folgender Situation gehen würde: Nach einer anstrengenden Reise finden Sie sich im Menschengewühl eines Flughafens wieder. Sie wissen nicht, in welchem Land Sie sind. Sie verstehen weder die Sprache noch können Sie mit den Schriftzeichen etwas anfangen. So ähnlich dürfte sich ein Demenz-Kranker fühlen.

„Biographieforschung“ erleichtert das Verständnis

Wer die Biographie Demenz-Kranker kennt, kann die Bedürfnissignale der Patienten leichter entschlüsseln. Bringen Sie daher möglichst viele biographische Informationen des Betreffenden in Erfahrung (Geburtsort, Geschwisterzahl, Berufstätigkeit, Kinder, Krankheiten, Hobbys). Anwendungsbeispiel: Es kann vorkommen, dass sich eine verwitwete Demenz-kranke Frau eher als eine unverheiratete Patientin von einer männlichen Pflegekraft waschen und zur Toilette bringen lässt. Die Kenntnis der Biographie hilft auch, (noch) vorhandene Stärken zu erhalten. Es gibt Demenz-Kranke, die Klavier spielen, Schreibmaschine schreiben oder Tischtennis spielen können (aber keine entsprechende Förderung mehr erhalten)!