Waren Sie nicht schon öfter
enttäuscht oder verärgert, weil die Gespräche mit dem von Ihnen betreuten
Demenz-Kranken unbefriedigend verliefen? Die folgenden Hinweise erläutern,
wie Sie selbst dazu beitragen können, besser mit Demenz-Patienten zu
kommunizieren. Sie ergänzen die in Teil 1 und 2 beschriebenen Prinzipien.
Nicht mit dem Kranken verstummen
Es gibt das Phänomen, dass sich
Patient und Betreuer im Laufe der Zeit mimisch, gestisch und z.T. auch
sprachlich immer ähnlicher werden. So lassen "stumme" Kranke oft auch
ihren Betreuer "verstummen". Achten Sie darauf, ob es Ihnen ähnlich geht
und ob Sie sich und dem Kranken damit letztlich einen Gefallen erweisen.
Sich zeigen
Nähern Sie sich dem Kranken immer von
vorne. Treten Sie möglichst früh in sein Blickfeld und begeben Sie sich
auf seine Augenhöhe. Reden Sie erst, wenn der Kranke Sie erblickt hat.
Halten Sie auch während des Gesprächs Augenkontakt und fordern Sie den
Kranken notfalls dazu auf, Sie anzusehen. Wer den Kranken mit dem Blick
verlässt, verlässt ihn mitunter komplett.
„Dolmetscher“ einsetzen
Greifen Sie bei Bedarf auf
"Übersetzer" zurück, also auf denjenigen Familienangehörigen, von dem sich
der Demenz-Kranke am ehesten verstanden fühlt. Manchmal ist es hilfreich,
im Dialekt zu sprechen.
Mit Gesten sprechen
Gesten nutzen die Erfahrungen, die
viele demente Menschen in ihrer Kindheit mit Stummfilmen gemacht haben.
Außerdem laden sie zur Nachahmung ein bzw. fördern den Wunsch mitzumachen.
Handlungen vormachen
Manche Demenz-Kranke sind nicht mehr
in der Lage, auf Aufforderungen in sprachlicher Form angemessen zu
reagieren. Einige von ihnen können aber noch sehr gut selbst komplizierte
Bewegungen nachahmen. Scheuen Sie sich als nicht, das gewünschte Verhalten
(Essen, Waschen usw.) beispielhaft vorzumachen.
Körpersprache und Körperkontakt einsetzen
Nehmen Sie eine entspannte
Körperhaltung ein. Vermeiden Sie Starrheit, Stirnrunzeln und abrupte
Bewegungen. Unterstützen Sie Ihre Worte durch einfache Gesten. Achten Sie
darauf, dass Ihre Mimik erkennbar ist, und setzen Sie diese bewusst ein.
Vereinfachen Sie Ihre Sprechweise, wenn die sprachliche Verständigung
schwieriger wird. Oft sind Blicke, Gesten und Berührungen besser dazu
geeignet, dem Kranken ein Gefühl der Nähe und Verbundenheit zu vermitteln
als viele Worte. Machen Sie notwendige Handlungen pantomimisch vor und
geben Sie körperliche Hinweisreize. Das Gefühl eines Menschen von sich
selbst beruht im wesentlichen auf dem Körper, leiblichen Gefühlen und
Funktionen. Körperkontakt und Lächeln verbinden schon das Neugeborene
sprachlos mit der Umwelt. Auf dieser "Frequenz" ist auch der Demenz-Kranke
noch zu erreichen.
Körperlich kommunizieren und taktvoll berühren
Auf Berührungen und Begreifen
reagieren demente Personen ähnlich sensibel wie blinde Menschen. Wie sehr
Berührung Sicherheit vermittelt, weiß jeder, der sich im Dunkeln setzen
will und vorher mit der Hand die Sitzfläche ertastet hat. In der
körperlichen Interaktion erlebt der Demenz-Kranke außerdem, dass er bei
anderen Reaktionen auslösen kann. Diese „Wirkungen“ vermitteln ihm ein
beruhigendes Gefühl von „Wirklichkeit“ und Eingebundensein in dieser Welt.
Aber nicht jeder will immer und überall angefasst werden. Auch für Demente
gibt es individuell sich unterscheidende offizielle und inoffizielle
Körperzonen. Wer Demente berührt, sollte den Körperkontakt mit einem
klaren Anfang und Ende versehen. Ansonsten bleibt die Handlung uneindeutig
und macht sie eher nervös. Berührungen mit der Handfläche signalisieren
„Ich will was von Dir“, Berührungen mit der Handrückseite „Ich bin hier.
Wo bist Du? Ich möchte Kontakt.“
Das
führende Sinnesorgan des Kranken ermitteln
Die meisten Menschen nehmen die Welt
über ein bevorzugtes Sinnesorgan wahr (Augen, Ohren, Geruch, Lagesinn).
Das gilt auch für Demenz-Kranke. Besonders Menschen, die nur eine
Sinnesqualität stark entwickelt haben, geraten in Krisen, wenn das
Leistungsvermögen des betreffenden Organs nachlässt. Reaktiv kehren sie
sich von der Außenwelt ab, indem sie zunehmend ihre Innenwelt “beschauen”
und auf die inneren Stimmen “hören”. Versuchen Sie deshalb, die
Kommunikation mit dem Kranken verbessern, indem Sie vor allem auf dessen
bevorzugtem Sinneskanal mit ihm kommunizieren. Das Erinnerungsvermögen an
frühere Informationen hängt davon ab, mit welchem Sinnesorgan sie
aufgenommen wurden. So können demente Personen im allgemeinen besser
ausdrücken oder wiedergeben, was sie betastet und gerochen haben, als was
sie gesehen und gehört haben. Es ist deshalb manchmal erfolgreicher zu
fragen, was der Patient gegessen hat, und nicht, wer mit ihm während der
Mahlzeit am Tisch gesessen hat. Ein dementer Patient wird möglicherweise
am Mittagstisch bereitwilliger Platz nehmen, wenn dieser schon sichtbar
gedeckt ist, erstes Besteckklappern zu hören ist und der Essensduft
bereits den Raum erfüllt.
Gleichzeitig über mehrere
Sinneskanäle kommunizieren
Es ist hilfreich, eine Information
über möglichst viele Sinnesorgane gleichzeitig zu transportieren. Statt
nur an den Toilettengang zu erinnern, kann man dem Patienten zusätzlich
die WC-Tür öffnen, so dass er die Toilette sieht und riecht, und ihm beim
Öffnen der Kleidung unterstützen. Vermutlich versteht der Betreffende dann
eher, was man von ihm erwartet. Aus diesem Grund fördern Gebärden das
Verständnis des Gesprochenen.
Auf emotionale Bedürfnisse
reagieren (nicht auf Wissenslücken)
Welchen Nutzen hat ein Demenz-Kranker
von dem Hinweis „Du bist jetzt 90 Jahre und Deine Mutter ist lange tot“,
wenn er ständig nach seinen Eltern ruft. Günstiger ist es, auf den
vermutlichen Wunsch nach Geborgenheit zu reagieren oder – wenn dies nicht
möglich ist – den Kranken abzulenken. Umgekehrt sollten Sie nicht
erwarten, dass der Demente vor allem auf Ihre Informationen reagiert. Sehr
viel mehr wird er sich durch die Art und Weise angesprochen fühlen, in der
Sie mit ihm umgehen. Letztlich wird er Ihnen also Ihre Emotionen spiegeln.
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